Gestern stolperte ich über das Youtube-Video von Thomas DeLauer, in dem er ausführlich erklärt dass OMAD (one meal a day, eine Mahlzeit am Tag) schlechter wäre als 2MAD (2 Mahlzeiten am Tag). 6000 „Likes“ gegen 150 „Dislikes“ versprachen Erkenntnisgewinn für ein kontroverses Thema, der „Play“-Button war schnell geklickt. Was steckt drin?
Hauptargument ist eine Studie in der 3 Mahlzeiten am Tag (3MAD) mit einer Mahlzeit am Tag verglichen wird. Die Probanden waren gesunde, nicht übergewichtige Männer mit einem durchschnittlichen HOMA-IR von 1.2, d.h. weit weg vom metabolischen Syndrom. Nach 8 Wochen war die Glukosetoleranz bei den OMAD-Probanden erheblich schlechter als bei den 3MAD-Probanden, die Glukose wurde bei einem oralen Glukosetoleranztest langsamer abgebaut als bei der Vergleichsgruppe und die Insulinspitze bildete sich etwas später aus. Huch? Unabhänhgig von der Art der Diät hat sich Intervallfasten als effektive Maßnahme zur Gewichtskontrolle bzw. -Reduktion erwiesen, so dass ein Auslassen von Mahlzeiten keine negative Auswirkungen auf die Glukosekontrolle haben sollte. Was geht schief?
Studien kontra gesunder Menschenverstand
Überspitzt könnte man diese Studie als Musterbeispiel für unsere Ernährungsmisere bezeichnen. Für wissenschaftliches Arbeiten ist es zwingend notwendig dass eine neue Theorie gegen bestehende Theorien validiert wird. Das vorliegende Studienergebnis widerspricht unserem gesunden Menschenverstand, bei allen Wirrungen in der Ernährungswissenschaft ist die Tatsache vergleichsweise unstrittig dass Intervallfasten für viele Menschen zu merklichen Gesundheitsverbesserungen führt. Das macht das Ergebnis nicht falsch, aber erfordert von den Autoren eine deutlich höhere Sorgfaltspflicht: Das Ergebnis muss durch das verwendete Stoffwechselmodell validiert und der Widerspruch zu den makroskopischen Beobachten diskutiert werden. (Schöne Grüße an Richard Feinman.) Natürlich findet sich weder das eine noch das andere in der Studie. Dabei ist die Erklärung dieses scheinbaren Widerspruchs kein Hexenwerk und wird jetzt hier nachgeholt (schöne Grüße an die Autoren).
Exkurs: Das metabolische Syndrom (und somit eine schlechte Glukosetoleranz) wird dadurch ausgelöst dass wir unseren Stoffwechsel überlasten. Wir konsumieren mehr Kohlenhydrate als unsere Vorfahren, diese werden schneller im Darm aufgenommen (raffinierte Kohlenhydrate wie Zucker und Weißmehl gehen nahezu sofort ins Blut während Kohlenhydrate aus Früchten und stärkehaltigem Gemüse durch die Ballaststoffe über einige Stunden verdaut werden) und wir sorgen zudem für eine Doppelbelastung aus Fett und Kohlenhydraten, die weder unsere Leber noch unsere Mitochondrien effektiv verwerten können. (In freier Natur gibt praktisch nie eine Kombination von Fett und Kohlenhydraten, alle Nahrungsmittel sind entweder fettreich und kohlenhydratarm wie z.B. Fleisch/Eier oder fettarm und kohlenhydratreich wie Früchte oder Kartoffeln). Abstrahieren wir mal von den anderen Faktoren wie chemischen Lebensmittelzusätzen, stark verarbeiteten Lebensmitteln und Umweltfaktoren: Je größer und schneller die Belastung durch Glukose, desto schneller werden wir insulinresistent. (Eine Lawine ist schlechter als 3 Monate Schneefall.)
In der zitierten Studie wurde eine typische amerikanische Ernährung verwendet, die hoch in raffinierten Kohlenhydraten ist. Die Probanden sollten so viel essen dass sie ihr Gewicht halten, die Zusammensetzung der Nahrung war aber vorgegeben. Somit essen alle Probanden dieselbe Menge an Kohlenhydraten, entweder auf drei Mahlzeiten am Tag verteilt oder alles in einem Rutsch. Hier konsumieren wir bei OMAD eine viel größere Kohlenhydratmenge in kurzer Zeit als bei 3MAD, Leber und Bauchspeicheldrüse werden dreimal so sehr gestresst und es kommt zu Überlast und Insulinresistenz. Die darauf folgende Fastenzeit (nach Studiendesign mindestens 20 Stunden) kann dies nicht kompensieren, zumal die Glykogenspeicher gefüllt bleiben und wir niemals auf Ketonverbrennung umschalten. Musste man dafür wirklich eine Studie machen?
Intervallfasten
Warum funktioniert Intervallfasten dann, ganz klassisch mit 1-2 Mahlzeiten am Tag? Dazu muss man sich klarmachen dass Intervallfasten langfristig nur gut geht wenn wir insulinsensitiv sind oder kohlenhydratarm essen. In einer 16-Stunden-Essenspause muss der Körper von Kohlenhydratverbrennung auf Ketonverwertung umschalten, dies machen metabolisch gesunde Menschen ganz automatisch. Wenn jemand dagegen insulinresistent ist dann blockieren hohe Insulinspiegel die Fettverbrennung, wir laufen schon vor Ablauf von 16 Stunden in eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) und ein Energiedefizit und müssen essen. Einzig und allein eine kohlenhydratarme Ernährung, in der wir sowieso meist in Ketose sind, vermeidet den Crash und sorgt dafür dass wir 16 Stunden und länger durchhalten.
Und jetzt kommen wir zum Knackpunkt der Studie: Sie ist schlichtweg nicht praxisrelevant, denn die Menge der konsumierten Kohlenhydrate (und Gesamtkalorien) bleibt beim Intervallfasten nicht gleich. Niemand stopft sich am Abend 3 Teller Nudeln in den Bauch anstelle zum Frühstück, Mittagessen oder Abendessen je einen Teller zu essen (oder eine vergleichbare Menge an Kohlenhydraten als Müsli oder Brot). Insulinsensitive Menschen könnten dies sicherlich tun, werden aber tendenziell sowieso nicht zu viele Kohlenhydrate essen (sonst währen sie nicht insulinsensitiv). Insulinresistente Menschen dagegen schaffen Intervallfasten nur mit einer Kohlenhydratreduktion, was automatisch zu den üblichen gesundheitlichen Verbesserungen führt.
Bei einer kohlenhydratarmen Ernährung haben wir eine völlig andere Situation. Bei OMAD bleibt die Gesamtbelastung von Leber und Bauchspeicheldrüse geringer: Die Umwandlung von Fett in „Treibstoff“ in der Leber ist weniger belastend als die Umwandlung von Kohlenhydraten zu Triglyzeriden, und die Bauchspeicheldrüse muss bei Fettkonsum sowieso nicht viel tun. Zudem entfällt die so kritische Doppelbelastung von Fett und Glukose.
Bleibt am Ende nur die Frage, warum DeLauer hier unkritisch eine Studie verwendet die unserem gesunden Menschenverstand widerspricht? Hat dies damit zu tun, dass die Menschen bei OMAD weniger von der von ihm vertriebenen Knochenbrühe (die im Video massiv als ideale Zwischenmalzeit beworben wird) konsumieren? Oder ist einfach ein kontroverse Thema ein guter Klickfang, der ein paar Cents durch das Youtube-Marketing verspricht? Mir ist es egal, am Ende bleibt ein „Dislike“ und ich weiß dass ich auf DeLauers Videos in Zukunft verzichten werde.