Fasten

Ich habe zum zweiten Mal in meinem Leben länger als 48 Stunden gefastet. Und es war eine sehr erhellende Zeit.

Mein erstes Mal

Vor rund 2 Jahren machte ich den ersten Anlauf. Ich aß noch westliche Kost, stand (wie ich heute weiß) mitten im metabolischen Syndrom und in der Prädiabetes. (Eigentlich genau die Zielgruppe für mehrtägiges Fasten.) Der GU-Ratgeber war gründlich gelesen, angeblich ein Bestseller und bei Amazon gut bewertet. Ich fühlte mich gut vorbereitet, und folgte dem Ratgeber genau.

Das Fasten war ein Desaster. Der Hunger war nahezu unerträglich. Ich fieberte jedem Tag dem mageren Gemüsesaft entgegen, der dreimal täglich erlaubt war. Ich dachte an nichts anderes als Essen. Und nichts von dem trat ein, was im Buch oder in anderen Quellen zu hören war: „Nach 3 Tagen ist der Hunger weg, man fühlt sich großartig.“ Keine geistige Klarheit, der Hunger wurde immer schlimmer, ich war zu nichts zu gebrauchen. Energie hatte ich gar keine mehr. Ich stand die 5 Tage nur mit Mühe und Not durch, und auch im Nachgang gab es keine positiven Effekte. Ein Gewichtsverlust blieb auch nicht, im Gegenteil: Schon 2 Wochen nach dem Fasten wog ich etwas mehr als vorher, obwohl ich weiß Gott nicht übermäßig gegessen hatte. Andere Gesundheitsvorteile gab es nicht. Wenig überrraschend beschloss ich damals, nie wieder zu fasten.

Warum fasten?

In den letzten 2 Jahren habe ich viel gelernt. Meine Ernährung wurde kohlenhydratarm, ich strich Omega-6-Fette vom Speiseplan und aß paläolithisch. Ich nahm 15 Kilo ab, die Blutwerte wurden besser und meine Krankheit (ME/CFS) besserte sich etwas. Aber im letzten halben Jahr gab es Stagnation: Das Gewicht blieb stabil, der Nüchtern-Blutzucker unverändert bei 105 (ein Zeichen für Insulinresistenz, die morgendlichen Glukosespiegel liegen bei ketogener Ernährung paradoxerweise oft höher als bei kohlenhydratreicher Ernährung). Die Blutwerte für Triglyzeride und HDL stabilisierten sich weitab von meinen persönlichen Zielwerten (Triglyzeride unter 100, HDL über 70).

In dieser Situation kann Fasten dem Körper einen Schub geben: Die Glukosewerte stabilisieren sich deutlich unter den Normalwerten und Insulin ist über mehrere Tage sehr niedrig. Der Körper ist gezwungen das eigene Fett zu verbrennen, anstelle sich auf auf das Fett in der Nahrung zu verlassen. Und hoffentlich wird das so kritische viszerale Fett (das Fett in den Organen wie der Leber und der Bauchspeicheldrüse) zuerst abgebaut.

Ein genauso wichtiges Ziel ist das Anstoßen der Autophagie. Dadurch wird der Körper angeregt, beschädigte Zellen zu eliminieren und nach dem Fasten durch neue Zellen zu ersetzen. Zudem erhofft man durch Autophagie eine Stärkung des Immunsystems.

Natürlich ging ich es diesmal anders an als vorher. Ein Entlastungstag war nicht notwendig. Die Darmreinigung wurde mit etwas Magnesiumcitrat deutlich schonender bewerkstelligt als mit Glaubersalz. Es gab keinen Honig. Und vielleicht am wichtigsten: Anstelle Gemüsesaft gab es selbstgekochte Knochenbrühe, ca. ein halber Liter am Tag. Dies ist eine bessere Quelle für Elektrolyte und Spurenelemente, bringt dem Körper etwas Eiweiß und enthält zudem Bestandteile wie Collagen, die gut für das Mikrobiom sind. Und vor allem enthält Knochenbrühe keine Lektine, die in Form von Tomatensaft in fast jeder Gemüsebrühe reichlich enthalten sind.

Once more with feeling…

Über eins muss man sich klar sein: Beim Fasten verschwindet der Hunger nie. Aber diesmal war der Hunger viel erträglicher. Vergleichbar mit einem lästigen Schnitt am Finger: Er war die ganze Zeit da, aber er behinderte mich nicht, und wenn ich mit anderen Dingen beschäftigt war vergaß ich ihn ganz. Das macht auch Sinn: Wenn unsere Vorfahren im Winter in der Höhle saßen und nichts zu beißen hatten, musste definitiv ein kleiner Mann im Bauch sagen „beweg Dein Hinterteil und besorg jetzt was zu essen!“, gleichzeitig durfte der Hunger aber keine Blockade auslösen.

Auch der Energiemangel war diesmal nur moderat. Am schlimmsten war die Müdigkeit, da ich nachts wenig schlief und tagsüber öfters wegnickte. Mein Restless Legs brach immer wieder durch (was ich schon bei früher bemerkt hatte, als ich öfters mal einen Tag fastete), möglicherweise weil Giftstoffe aus den Fettzellen gelöst wurden. Und auch wenn ich mich am Ende definitiv sehr auf das erste Essen freute: Ich stand die 7 Tage, die ich mir vorgenommen hatte, problemlos durch.

Fasten-Ratgeber

In einer der schlaflosen Nächte blätterte ich erneut durch den im Schrank modernden Ratgeber, und das ebenfalls erworbene Buch „Richtig essen nach dem Fasten“. Kurz ausgedrückt: Hanebüchener Unsinn. (Dabei ist diese Buch keinesfalls ein unschöner Ausreißer, sondern leider prototypisch für viele Fasten-Leitfäden die man online findet.) Der Autor hat nicht die geringste Ahnung von Stoffwechselprozessen. Er kennt keine Keto-Grippe (denn diese legte mich bei meinem ersten Fasten-Versuch lahm), die immer entsteht wenn ein jahrzehntelang an Kohlenhydrate trainierter Körper sich auf Fettverbrennung umstellen muss. Der Autor wird diese niemals selbst erfahren haben: Ein gesunder Körper stellt sich mühelos von Kohlenhydraten auf Fettverbrennung um. Dagegen trifft die Keto-Grippe insulinresistente Menschen (wie Diabetiker und Prädiabetiker) mit voller Wucht. Wer regelmäßig fastet, der trainiert diese Umstellung und hält sich metabolisch flexibel. Aber gerade insulinresistente Menschen profitieren am meisten vom Fasten, für sie sollte man möglichst präzise beschreiben was sie zu erwarten haben.

Ich kann nur empfehlen, vor dem Fasten zumindeste probeweise auf ketogenes Essen umzustellen. Wenn es in der ersten Woche zu keinen Beschwerden kommt, wird auch das Fasten problemlos werden. Wenn dagegen die Symptome der Keto-Grippe erscheinen, ist es sicherlich erträglicher, die ketogene Ernährung beizubehalten bis die Keto-Grippe durchgestanden ist, und erst dann zu fasten.

Aber auch sonst sind beide Bücher geradezu ein Gruselkabinett. Fast alle Rezepte sind völlig fettfrei, und viele Thesen entbehren nicht nur wissenschaftlicher Grundlagen, sondern sind offensichtlicher Blödsinn. So wird etwa an einer Stelle an Fallbeispielen gewarnt, was passiert wenn man nach dem Fasten zu schnell wieder zu viel isst: Eine Frau hätte nach einem reichlichen Essen mit Nachtisch (irgendwelcher Zuckerkram) am nächsten Tag 1,3 Kilogramm mehr gewogen, die Ergebnisse einer halben Woche Fasten zunichte gemacht. Entschuldigung: Selbst ein einfach gestrickter Mensch dürfte einsehen, dass man mindestens 1,3 Kilogramm essen muss um 1,3 Kilogramm zuzunehmen (in der Praxis erheblich mehr, da Protein und Kohlenhydrate eine geringere Energiedichte haben als das eingelagerte Fett, und eine Einlagerung nie verlustfrei erfolgt).

Die Waage als Selbstbestätigung

Die geschilderte Gewichtszunahme war schlichtweg das Ergebnis des Kohlenhydratkonsums: Der Körper wandelt Glukose in Glykogen um, das in Wasser gelöst gespeichert wird. Werden 200g Kohlenhydrate eingelagert, steigt das Gewicht um rund ein Kilogramm (da jedes Gramm Glykogen in etwa 3-5 Gramm Wasser eingelagert wird). Das ist übrigens auch der Grund, weshalb Menschen nach kohlenhydratreicher Ernährung in den ersten Fastentagen sehr viel Gewicht verlieren: Das Leeren der Glykogenspeicher (500-600 Gramm), das in den ersten drei Tagen erfolgt, schlägt mit rund 2,5 Kilogramm Gewichtsverlust zu Buche. Diese 2,5 Kilogramm sind natürlich nach dem Fasten sofort wieder drauf, wenn die Glykogenspeicher wieder gefüllt sind…

Überhaupt das Abnehmen. Man soll auf der Waage jeden Tag seinen Fortschritt kontrollieren, und am Ende des dritten Aufbautags (3 Tage nach Fastenende) könne man endgültig sehen wie viel man abgenommen hat. Auch dies ist Unsinn: Besonders bei unzureichender Zufuhr von Elektrolyten (wie bei den empfohlenen Gemüsesäften) verliert der Körper weiteres Wasser. Isst man wie beschrieben eine stark reduzierte Aufbaukost, normalisieren sich die Elektrolyte nicht und die Glykogenspeicher füllen sich nicht wieder. Eine endgültige Erfolgskontrolle ist erst sinnvoll, nachdem man etwa eine Woche wieder normal gegessen hat.

Natürlich darf man gerne jeden Morgen auf die Waage stellen, besonders wenn man mit Motivationsproblemen kämpft. Aber das Gewicht wird nach dem Fasten wieder um einige Kilogramm steigen, das ist ganz normal (und überwiegend schlichtweg harmloses Wasser).

Fazit

Ob mein Fasten etwas gebracht hat, werde ich in einigen Monaten sehen. Fasten ist keine Maßnahme zur kurzfristigen Gewichtsabnahme, sondern ein „Neustart“ des Körpers. Für mich war die Fastenphase ein Erfolg, wenn sich die Blutwerte wieder in die richtige Richtung bewegen und ich wieder „normal“ mit ketogener Kost abnehme (denn rund 15 Kilo sollen noch weg).

Mein Rat zum Fasten ist: Vergesst alles, was in zweifelhaften Ratgebern steht. Wer sich ketogen oder kohlenhydratarm ernährt, kann ohne jede Vorbereitung fasten. Bei kohlenhydratreicher Nahrung muss man mit dagegen erheblichen Problemen rechnen — je schlimmer, desto notwendiger ist eine Umstellung auf kohlenhydratreiche Kost, da dies die Folgen des metabolischen Syndroms sind.

Kräftig gesalzene Knochenbrühe ist die perfekte tägliche Ergänzung der Elektrolyte. Diese darf gerne etwas Fett enthalten. Sie ist neutral für den Blutzucker und hat praktisch keine Insulinantwort, so dass die eigentlichen Ziele des Fastens nicht behindert werden. Alternativ darf es auch Gemüsebrühe sein, die lange Zeit geköchelt hat (dadurch zerfallen die meisten Lektine). Bei längerem Fasten (eine Woche oder mehr) ist aber eine dosierte Eiweißzufuhr sinnvoll, da der Körper jeden Tag etwas Eiweiß abbaut und zu Glukose umwandelt, denn einige Zellen in unserem Körper kommen nicht ohne Glukose aus. Die Experten streiten sich, ob dieser Eiweißabbau kritisch ist und ob dadurch Muskelmasse abgebaut wird. Knochenbrühe (die Eiweiß enthält) beugt dem vor.

Mein persönliches Nahrungsergänzungsprogramm bestand zudem aus Kaliumcitrat, Magnesiumcitrat, einem Vitaminkomplex und eine ordentliche Dosis eines Omega-3-Präparats. Wohl bekomms!

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