Auf der Suche nach der Insulinresistenz (1): Schwarze Schwäne

In letzter Zeit habe ich viel über die Entstehung von Insulinresistenz und metabolischen Krankheiten recherchiert, und dies soll — aufgrund der Komplexität aufgeteilt in mehrere Posts — auch hier im Blog thematisiert werden. (Ich hoffe, dies entschädigt etwas für den fehlenden Fortschritt an meinem Buch, für das ich momentan nicht die nötige Ruhe habe.) Denn wir können eine Krankheit nur behandeln oder vorbeugen wenn wir die Ursache kennen, und bei chronischen Krankheiten können wir sehr unterschiedliche Ursachen (und somit unterschiedliche Therapien) haben, obwohl die Symptome nahezu identisch sind. Dies gilt auch für das metabolische Syndrom, das nicht immer auf die gleiche Art und Weise entsteht.

Die Qualität einer Theorie bewerten wir daran, wie gut sie die Einzelfälle erklärt. Schwarze Schwäne sind essentiell wichtig: Wenn wir die Theorie aufstellen „Alle Schwäne sind weiß“, dann reicht ein einziger schwarzer Schwan um die Theorie zu entkräften. Wir müssen sie deshalb nicht sofort über Bord werfen, möglicherweise kann die Theorie erweitert werden um den schwarzen Schwan schlüssig zu erklären. Und natürlich müssen wir sicher sein dass die Beobachtung korrekt ist, und wir nicht auf einen Studentenstreich mit schwarzer Schuhcreme (und vermutlich einigen hässlichen Wunden durch einen verärgerten Schwan) hereingefallen sind.

In der Ernährungswissenschaft wurden schwarze Schwäne in der Vergangenheit gerne ignoriert. Es gab unzählige Beispiele von Zivilisationen die sich extrem hoch in gesättigten Fetten ernährten und dennoch niemals an Atherosklerose starben (wie die Masai, die Einwohner von Tokelau  oder die in Keto-Kreisen geradezu vergötterten Inuit). Die Antwort der Lipophoben (Verfechter der Lipidhypothese) war meist: Dies sind Ausnahmefälle, sie haben eine besondere Genetik oder Umwelt, wir können sie ignorieren. (Genetik ist sozusagen die Hand Gottes, und — wenn wir ehrlich sind — eine Hand Gottes ist eine wissenschaftliche Bankrotterklärung und disqualifiziert die Theorie sofort.) 

Natürlich sind genetische Faktoren denkbar, hier aber ganz offensichtlich nicht im Spiel: Alle diese Völker entwickelten Atherosklerose und die restlichen Zivilisationskrankheiten sobald sie auf westliche Ernährung wechselten, selbst wenn sich die Umwelt nicht maßgeblich veränderte. Spezielle genetische Faktoren führen hier höchstens zu einer schnelleren Krankheitsprogression: Die Einwohner von Tokelau entwickelten (wie einige Jahrzehnte vorher die Pima-Indianer) Diabetes im Rekordtempo.

Schwarze Schwäne dürfen nicht ignoriert werden.

Paradoxe Franzosen

Solche schwarzen Schwäne existieren allerdings auch für das Kohlenhydrat-Insulin-Modell (KIM), das davon ausgeht dass eine Ernährung reich an Kohlenhydraten zu Insulinresistenz, Diabetes und Atherosklerose führt. Geradezu gebetsmühlenartig werden von Gegnern des KIMs einige Zivilisationen ins Feld geführt: Die Kitavianer, die sich von stärkereichen Brotfrüchten ernährten, oder die langlebigen Japaner mit einer reisdominierten Ernährung.

Und dann haben wir das „französische Paradox“ der schlanken Franzosen, die sich mit gesättigten Fetten (Butter, Käse) und raffinierten Kohlenhydraten (Baguette, Croissants) vollstopfen. Es steht scheinbar im Widerspruch zu beiden Hypothesen. Es ist ein Musterbeispiel für den Umgang der Lipophoben mit unbequemen Daten: In Ancel Keys 7-Länder-Studie wurde Frankreich einfach ausgelassen. Stattdessen sprechen die Lipophoben bis heute vom französischen Paradox, ohne ihre Theorie zu hinterfragen. Die Franzosen widerlegen schon vor 50 Jahren die Lipidhypothese. 50 Millionen schwarze Schwäne wurden einfach ignoriert.

Auch in der westlichen Welt gibt es schwarze Schwäne, und nicht zu knapp: Rund 40% aller schlanken Menschen sind metabolisch krank . 20% der fettleibigen Menschen sind metabolisch gesund (Robert Lustig, „Fat Chance“). Übergewicht und metabolisches Syndrom sind nicht so eng verbandelt wie sie nach dem KIM sein sollten.

In den nachfolgenden Artikeln werde ich versuchen, diese schwarzen Schwäne in Einklang mit dem KIM zu bringen. Kurzfassung: Es gibt weitere Faktoren für metabolische Krankheiten. Diese Faktoren führen zu „lokaler Insulinresistenz“, wodurch der insulingesteuerte Stoffwechsel in ausgewählten Zelltypen behindert wird. Wir benötigen dafür keine mysteriösen genetischen Faktoren oder Umweltbedingungen.

Das macht das KIM nicht falsch, denn es beschreibt den dominanten Mechanismus. (Wenn die Straße nass ist, dann hat es fast immer vorher geregnet. Nur weil ein Wasserrohrbruch auch zu einer nassen Straße führt ist diese Beobachtung nicht ungültig.)

Ein Beispiel: Das Fehlen von speziellen Rezeptoren für Wachstumshormonen (ein seltener Gendefekt) führt zu stark übergewichtigen, aber metabolisch gesunden Menschen. Eine Wirkung dieser Wachstumshormone ist eine verminderte Verwertung von Glykogen, was unter dem Strich dazu führt dass nur die Muskelzellen insulinresistent werden, während die Glukoseverarbeitung in der Leber nicht beeinträchtigt ist. Die Glukose wird deshalb kaum in den Muskeln verbrannt sondern primär zu Fett umgewandelt. Die Betroffenen sind stark übergewichtig (hier 48% Körperfett), haben aber einen sehr aktiven Fettstoffwechsel und keine Anzeichen von metabolischen Syndrom.

Wie entsteht das metabolische Syndrom?

Aber zuerst ein Schritt zurück. Der Mechanismus zur Entstehung des metabolischen Syndroms ist umstritten. Sicher wissen wir nur, dass wir im Laufe der Jahrzehnte ständig steigende Insulinspiegel beobachten, die weit über den Normalwerten liegen (Hyperinsulinämie). Jahrzehntelang funktioniert die Glukoseregulierung (meist) noch gut, so dass sich in der Arztpraxis — wo nur Glukose und nicht Insulin gemessen wird — keine Auffälligkeiten ergeben, bis sich die Symptome des metabolischen Syndroms einstellen: Fettleber, hohe Triglyzeride, Bluthochdruck und oft Übergewicht. Erst im Endstadium gerät die Glukoseregulierung aus dem Gleichgewicht, zu den hohen Insulinspiegeln gesellt sich hoher Blutzucker. Der Arzt wiegt dann bedenklich den Kopf und empfiehlt mehr Sport, um eine Diabetes abzuwenden — zu einem Zeitpunkt wo das Kind schon tief in den Brunnen gefallen ist. (Mehr dazu in meinem Buch im Kapitel zu Diabetes.)

Die spannende Frage ist allerdings: Warum sind die Insulinspiegel so hoch? Wir gehen fast immer von Insulinresistenz aus. Der erwartete Effekt (die Glukosespiegel verringern sich) tritt nicht ein, der Körper gleicht das durch erhöhte Produktion aus. Dafür kann es verschiedene Ursachen geben, etwa eine Blockade der Insulin-Rezeptoren durch Fremdstoffe, die Insulin imitieren. Kandidaten sind das in Weizen enthaltene Lektin WGA und der in Milch enthaltene Insulin-like growth factor IGF1. Diese Stoffe beschleunigen unzweifelhaft die Entstehung des metabolischen Syndroms. Sie dürften allerdings kaum ursächlich sein, denn das metabolische Syndrom verschwindet nicht einfach wenn wir diese Stoffe aus der Ernährung streichen.

Resistenz vs. Toleranz

Ein anderer möglicher Mechanismus ist Toleranzentwicklung, die etwa so abläuft: Rezeptorzellen, die auf Signale wie Insulin reagieren, werden durch eine dauerhafte Reizüberflutung weniger empfindlich. (Vergleichbar mit einem Rockmusiker, der bei jedem Konzert immer ein kleines bischen tauber wird.) Diesen Mechanismus kennt man gut z.B. von Neurotransmittern wie Dopamin oder Serotonin. Vergleichen wir die Muskelzellen mit einem Koffer, der durch ein Schloss gesichert ist. Insulin der Schlüssel, mit dem das Schloss der Zelle aufgeschlossen wird, und durch die offene Tür können unsere T-Shirts (die Glukose) in den Koffer (die Zelle). Unter „Insulinresistenz“ versteht man im Allgemeinen, dass der Schlüssel nicht mehr funktioniert, egal aus welchem Grund. Eine Blockade der Rezeptoren durch Fremdstoffe entspräche einem Kaugummi im Schloss. Toleranz entspricht Verschleiß, das Schloss ist durch die viele Benutzung abgenutzt und wir der Schlüssel schließt nicht immer.

Im Fall von Insulin ist eine Reizüberflutung unzweifelhaft denkbar und der vom KIM favorisierte Mechanismus, denn die kohlenhydratreiche westliche Nahrung erzeugt dauerhaft weitaus höhere Insulinspiegel als es evolutionär bei unseren Jäger-und-Sammler-Vorfahren normal war. Diese bekamen nämlich nur im Sommer überhaupt merkliche Mengen an Kohlenhydraten, und diese kamen immer im Verbund mit Ballaststoffen, so dass die Kohlenhydrate langsam ins Blut gingen und unser Körper genug Zeit hatte die Glukose aus dem Blut zu entfernen. (Und dies ist fundamental wichtig, denn ein zu hoher Blutzucker vergiftet viele Zellen. Deshalb produziert die Bauchspeicheldrüse auch große Mengen Insulin wenn sie mit hohen Glukosespiegeln konfrontiert ist, um die giftige Glukose möglichst schnell aus dem Blut zu entfernen.) Mit der westlichen Ernährung dürften wir unsere Bauchspeicheldrüse (verantwortlich für die Insulinproduktion) und Leber (Umwandlung von Glukose in Triglyzeride bzw. Glykogen) an einem x-beliebigen Tag um ein Vielfaches mehr belasten als unsere Vorfahren dies selbst im Sommer in einem Feld voller Obstbäume taten. Raffinierte Kohlenhydraten wie Zucker und Weißmehl gehen sehr schnell ins Blut, sorgen für hohe Glukosespiegel und damit dauerhaft hohe Insulinspiegel.

Der wesentliche Unterschied zwischen Mainstream/Lipidhypothese und dem KIM ist die Bewertung der Kausalität: Das KIM geht von hohen Insulinspiegeln aufgrund kohlenhydratreicher Ernährung aus, was wiederum Insulinresistenz erzeugt und zu noch höheren Insulinspiegeln führt. Ursächlich sind viel Zucker und Mehlprodukte, die den Teufelskreis der Insulinresistenz aktivieren. Übergewicht und Bluthochdruck sind ein Symptom, nicht die Ursache.

Der Mainstream, auf dem z.B. die deutschen Leitlinien zur Diabetes-Behandlung basieren, ignoriert ernährungsbedingte Einflüsse und hält Insulinresistenz primär für eine Folge von Übergewicht, Entzündungen und genetischen Faktoren. Hier ist Übergewicht die Ursache und nicht ein Symptom. Die genetischen Faktoren sind wiederum nicht ausgeführt, auch hier ist die Hand Gottes im Spiel. (Sehr glaubwürdig ist das nicht. Kann man eine Verzehnfachung der Diabetesfälle in 60 Jahren dadurch erklären dass die Diabeteskranken mit schlechten Genen besonders fleißig im Bett sind?) Der Mainstream bietet keine kausale Erklärung, warum immer mehr Menschen Typ-2-Diabetes bekommen, und das in immer jüngeren Jahren.

Schwarze Schwäne im Kohlenhydrat-Insulin-Modell

Nachdem ich jetzt in aller Breite den Mechanismus erläutert habe, kommen wir allerdings zum springenden Punkt: Ist unser Verständnis von Insulinresistenz überhaupt korrekt? Die im Mainstream verwendete Erklärung klingt zwar für einen Laien beeindruckend komplex, ist aber bei näherer Betrachtung erstaunlich blutleer für eine Behandlungsgrundlage von hunderten Millionen Menschen.

Aber auch die vom KIM favorisierte Reizüberflutung ist nicht ohne Probleme. Jason Fung wies schon vor Jahren darauf hin dass die Annahme von Toleranz erhebliche Widersprüche aufwirft: Nahezu alle Körperzellen reagieren auf Insulin. Bei einer körperweiten Toleranz müssten aber alle Zellen beeinträchtigt sein. Fettzellen dürften keine Fette mehr speichern, und die Leber dürfte keine Triglyzeride mehr produzieren. Dies widerspricht den Beobachtungen: Wir werden (meist) erst dick bevor wir Diabetiker werden. Die Fetteinlagerung funktioniert also gut, Leber und Fettzellen bleiben insulinsensitiv. Wie kann es sein, dass nur einige Zelltypen insulinresistent werden? Die Leber und Fettzellen sind genau denselben überhöhten Insulinspiegeln ausgesetzt sind. Warum zeigen sie keine wesentlichen Veränderungen?

Kurzum, wir müssen hinterfragen ob wir von den richtigen Annahmen ausgehen. Ist eine körperweite Insulinresistenz wirklich die Ursache für das metabolische Syndrom? Sind wirklich Schlüssel oder Schloss unseres Koffers defekt? Ist der Koffer vielleicht einfach nur voll oder gefüllt mit Müll, so dass unsere T-Shirts nicht rein passen?

Fortsetzung folgt.

Friss die Hälfte für doppelten Frust

The word „thermodynamics“ is thrown around a lot in nutrition, mostly by people who have no idea what it’s about. You don’t need thermodynamics to do nutritions, but if you’re going to bring thermodynamics into it, you’ve got to do it right .
Die Prinzipien der Thermodynamik werden in der Ernährung gerne zitiert, meist von Menschen die keine Ahnung davon haben. Man braucht keine Thermodynamik um Ernährungswissenschaft zu betreiben, aber wenn man die Thermodynamik reinzieht, dann muss man es schon richtig machen.
(Richard D. Feinman, *1940)

Die zweite Hälfte dieses Eintrags ist schamlos kopiert inspiriert von Hyperlipid. Ein Chapeau! an Peter, sein Blog ist extrem lesenswert (wenn auch etwas technisch, die Zielgruppe sind eher Fachleute). Aber ich schreibe für die deutschsprachige Community und das Thema passt prima zu einigen Diskussionen die ich kürzlich führte, also greife ich es auf.

Worum geht es? Friss die Hälfte funktioniert nicht. Zumindest für rund zwei Drittel von uns, die wir insulinresistent sind und bestenfalls ein paar Kilo abnehmen bevor sich das Gewicht wieder stabilisiert. Und um das klarzustellen: Hier geht es ausschließlich um langfristigen Gewichtsverlust durch Fett. Einige Kilogramm Fett hier und da verlieren kann fast jeder, aber die genannten zwei Drittel gleichen kurzfristige Gewichtsverluste langfristig immer wieder aus. Nach ein bis zwei Jahren ist der Speck wieder da.

Nun ist die Welt der Ernährung leider nicht einfach. Das Weglassen von Junkfood (bei manchen von uns schon friss die Hälfte) kann durchaus einen moderaten, langfristigen Gewichtsverlust bringen, da die Kombination von schnell verfügbaren Kohlenhydraten mit pflanzlichem Fett (Chips oder Schokoriegel) zu einer Überlastung von Leber und Mitochondrien führt, was kurzfristig mehr Hüftgold und langfristig mehr Insulinresistenz bedeutet. Aber viele übergewichtige Menschen essen schon vergleichsweise gesund (mehr als man denkt!) und vermeiden diese Dickmacher weitgehend.

Die Dynamik des Abnehmens

Wenn uns jemand erklärt dass sie/er 15 Kilogramm mit Friss die Hälfte abgenommen hat, dann gehört er wohl zu dem letzten, insulinsensitiven Drittel. Der Rest von uns fühlt sich schuldig (darin sind wir Menschen gut), haben wir doch zu oft „gesündigt“ oder waren nicht willensstark genug. Das Problem liegt aber weder bei den biblischen Todsünden Völlerei und Faulheit, sondern in unseren Hormonen. Und je stärker wir insulinresistent sind, desto mehr kommt der Hormonhaushalt aus dem Tritt:

  1. Die Basis der FDH-Diät bildet eine Lüge unzulässige Vereinfachung. Das gern zitierte erste Gesetz der Thermodynamik sagt „Energie zugeführt = Energie verbraucht + Energie gespeichert“, und daran ist nicht zu rütteln. Der Kardinalfehler der FDH-Verfechter ist allerdings, dass sie beide Seiten der Gleichung für unabhängig halten, was grundfalsch ist.
    Eine Energiedifferenz wird nur zu einem kleinen Teil mit den Fettspeichern „verrechnet“. Zusätzliche Kalorien führen zu einem höheren Verbrauch, erhöhte Wärmeproduktion oder mehr Aktivität. (Dies erfolgt mit etwas Verzögerung, natürlich wird man nach einer mächtigen Mahlzeit erst einmal müde und verdaut. Der Energiegewinn macht sich einige Stunden oder sogar Tage später bemerkbar.) Wer weniger isst, dem wird schneller kalt und müde, der Aktivitätslevel sinkt. Der Verbrauch reduziert sich ganz unbewusst.

    Auch eine gezielte Beeinflussung funktioniert eher schlecht als recht. Mit dem überall als Wahrheit postuliertem „mehr Sport“ lässt sich deshalb nicht merklich abnehmen, zumindest wenn man keine Kalorien zählt und nicht tägliches mehrstündiges Training betreibt. Studien belegen, dass wir selbst bei regelmäßigem Sport nicht einmal ein Kilo pro Jahr abnehmen.

    Zudem muss man in obiger Gleichung die Verluste betrachten. (Dies ist übrigens das zweite Gesetz der Thermodynamik.) Wir verbrauchen einen Teil der Energie zum Verdauen, bei Protein kommt nur 75% der Energie an. (Eine Kalorie ist zwar immer eine Kalorie, aber eine Kalorie Protein liefert weniger Energie als eine Kalorie Fett oder Zucker.) Zudem scheiden wir Energie z.B. in Form von Ketonen über die Atemluft und den Urin aus. Dies erklärt ein Paradox der ketogenen Ernährung: Wir essen oft mehr Kalorien als früher und nehmen trotzdem ab.

  2. Wenn unsere Hormone durcheinander kommen und wir die Kalorienzufuhr reduzieren, dann ist jede kleine Dosis Zucker wie eine Spritze eines magischen Hunger-Erzeugers. Wir bekommen Heißhunger und können die Diät nicht einhalten. Und das ist des Pudels Kern: Hunger gehört zu den wichtigsten Signalen unseres Körpers, die Evolution hat uns so verdrahtet dass es sehr schwierig ist Hunger zu ignorieren. Deshalb scheitern fast alle Diäten die auf Hungertoleranz setzen. Dauerhaft hungern können vielleicht Models, bei denen (ungesund geringes) Gewicht eine Existenzgrundlage ist. Wir Normalsterbliche schaffen das nicht.

    Natürlich kann man mit Hungern abnehmen. Wer nichts isst der nimmt ab, unzweifelhaft. Aber wir wollen nicht 6 Monate lang fasten bis wir am Zielgewicht sind (das ist weder praktikabel noch gesund). Die Verträglichkeit ist die wichtigste Eigenschaft einer Diät. Ich selber habe oft „friss die Hälfte“ versucht und auch immer einige Wochen durchgehalten, aber dann kam der Heißhunger, und das war es dann mit der Diät.

    Fast alle Übergewichtige sind fest davon überzeugt dass Abnehmen nur eine Frage von Disziplin und Willensstärke ist. Das ist falsch, und das werden alle Menschen bestätigen die aus Gewichtsgründen auf ketogene Ernährung gewechselt sind: Ich kann mich mit köstlichem Essen satt essen und nehme trotzdem ab. Einzige Bedingung ist dass wir nur essen wenn wir hungrig sind. Etwas Willensstärke brauchen wir allerdings doch, da Zucker süchtig macht und wir in den ersten Monaten nach der Umstellung durch eine Entzugsphase gehen. Aber das gibt sich schnell.

  3. Nach zwei kurzfristigen Auswirkungen kommen wir zu dem alles entscheidenden, langfristigen Effekt: Unser Körper reduziert mit der Zeit den Grundumsatz wenn wir weniger essen, genauso wie er den Grundumsatz erhöht wenn wir mehr essen. (Der Grundumsatz ist für das Verbrennen der meisten Kalorien zuständig. Er liegt meist bei ca. 2000 kcal am Tag. Eine Reduktion um 20% können wir nur durch eine Stunde intensiven Sport wettmachen.)
    Der JoJo-Effekt kommt nicht zustande weil wir uns nach einer Diät gehen lassen und extra viel essen, sondern weil der Grundumsatz gefallen ist. Diesen senkt der Körper schnell und nachhaltig. In der „Biggest-Loser-Studie“ wurden Teilnehmer, die im Schnitt fast 60kg in kurzer Zeit abgehungert hatten, nach 6 Jahren wieder untersucht. Mehr als zwei Drittel des verlorenen Specks war wieder auf den Rippen, aber der Grundumsatz lag 500kcal unter den Werten vor Beginn der Studie (nach Korrektur für die verlorenen Fettpolster). Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Sogar 6 Jahre nach dem Fasten ist der Grundumsatz noch um ca. 20% niedriger. Oder anders herum: Wer nach einer kurzen Phase mit starker Kalorienreduktion so viel isst wie vor der Diät, der nimmt schnell wieder zu. Nicht die biblischen Todsünden, sondern unsere Biologie ist schuld.

    Deshalb ist Fasten allein keine gute Maßnahme gegen Übergewicht: Menschen die mehrmals im Jahr für längere Zeit fasten nehmen durch den verringerten Grundumsatz vielleicht sogar langfristig zu, obwohl sie außerhalb der Fastenzeiten nicht mehr essen als früher. Isst man nach dem Fasten wieder kohlenhydratreich, dann führen hohe Insulinspiegel sofort in den „Mastmodus“, in dem der Körper Fettaufbau priorisiert. Der Körper versucht bei hohen Insulinspiegeln immer die Fettpolster zu erhalten, nur bei niedrigen Insulinspiegeln gibt er den Inhalt der Fettzellen bereitwillig her.

Once more with feeling numbers!

Die Reduktion des Grundumsatzes wird im genannten Artikel bei Hyperlipid diskutiert. Eine neue Studie betrachtet fettleibige Typ-2-Diabetiker, die definitiv insulinresistent sind. Zwei Gruppen mussten abspecken, eine (Interventions-)Gruppe hungert richtig, eine Vergleichsgruppe hungert nur etwas. Die Interventonsgruppe wurde für 12 Wochen auf eine stark unterkalorische Low-Fat-Diät mit ca. 800 Kalorien am Tag gesetzt (14% der Kalorien aus Fett, 26% aus Protein). Danach mussten sie für 3 weitere Monate weiter hungern (1000 Kalorien am Tag). Im letzten halben Jahr durften sie sogar soviel essen wie die Vergleichsgruppe, 600 kcal unter dem gemessenen Grundumsatz (also nur noch etwas hungern). Die Vergleichsgruppe erhielt 600 Kalorien weniger als ihr individueller, zu Studienbeginn gemessener Grundumsatz („leitliniengerechte Behandlung“), was angeblich zu 2-4kg Gewichtsverlust pro Monat führen sollte.

Zum Vergleich: in den 40er Jahren galt eine Diät mit 1600 Kalorien als geeignet für ein „Verhungern“-Experiment von Ancel Keys, das als „Minnesota Starvation Experiment“ bekannt ist. Nahezu alle Teilnehmer entwickelten schwere psychische Probleme und träumten den ganzen Tag von Essen. Viele besorgten sich heimlich zusätzliches Essen oder sprangen ab. (Heutzutage empfiehlt man genau diese Kalorienzahl routiniert übergewichtigen Menschen zum Abnehmen.)

In Bild kann man sehen , wie stark sich der Körper auf eine verringerte Energiezufuhr einstellt. Das Gewicht der Interventionsgruppe (rot) steigt im zweiten Halbjahr der Studie deutlich um 4,3kg an, obwohl die Menschen 600 kcal unter dem gemessenen Tagesverbrauch aßen. Ein Drittel des anfänglichen Gewichtsverlusts von 14,1kg im Hunger-Halbjahrwird wieder ausgeglichen. Der (unerwünschte) Verlust an Muskelmasse lag nach der Hungerphase bei 3,5kg, und nur 1kg davon wurde in dem zweiten Halbjahr wieder ausgeglichen. Die 4,3kg waren überwiegend erneuter Fettaufbau und nicht etwa Kompensation verlorener Muskelmasse.

Diese Studie war schlichtweg zu kurz, wobei die armen Teilnehmer dies sicherlich anders sehen würden. Was wäre passiert wenn die Probanden weitere 12 Monate mit einem 600kcal Energiedefizit gegessen hätten? So können wir nur feststellen dass die Probanden der Interventionsgruppe trotz Kalorienreduktion (erinnert euch: erwartet wurden minus 2-4kg im Monat) wieder schnell zunahmen. Die Gewichtszunahme scheint sich mit der Zeit zu verlangsamen, leider haben wir nur Datenpunkte nach 6, 9 und 12 Monaten. Aber die oben zitierte Biggest-Loser-Studie lässt vermuten dass der Grundumsatz dauerhaft verringert bleibt. Würde die Interventionsgruppe nach 2-3 Jahren wieder auf dem Ausgangsgewicht landen und dann weiter zunehmen?

Die Kontrollgruppe (blau) entsprach eher unseren FDH-Empfehlungen. Bei einer Reduktion der Energiezufuhr um 600 kcal (friss drei Viertel und nicht friss die Hälfte) reduzierten sie die Kalorien um rund 25%. Sie nahmen im Schnitt aber nur 4kg ab und nicht mindestens 24 Kilogramm wie erwartet. Aber auch hier gleicht die Reduktion des Grundumsatzes alles aus: Nach einem halben Jahr ein schlug die Waage bei minus 4,5kg aus, im zweiten Halbjahr nahmen sie schon wieder 0,5kg zu. Halten wir fest: 25% weniger Essen bei Fettleibigen führt zu gerade einmal 4kg weniger Fett in einem Jahr, und das Gewicht steigt langfristig wieder an. Und natürlich führt eine Rückkehr zu normalem Essverhalten (satt essen statt etwas hungern) zu schnellem Zunehmen.

Friss die Hälfte funktioniert nicht, der Preis für andauerndes Hungern ist Frust (und nicht heiß).

Evidenzbasierte Leitlinien?

Geradezu absurd erscheint das Fazit der Wissenschaftler, die ihre Hunger-Diät für eine hervorragende Behandlung halten. Sie stellen zwar fest dass die Teilnehmer trotz unterkalorischer Ernährung schnell wieder zunehmen, kommentiertieren dies aber nicht. Versteckt in den online verfügbaren zusätzlichen Dokumenten findet man übrigens die Nebenwirkungen der Studienteilnehmer: Erschöpfung, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Depressionen, Verstopfung, Haarausfall, Krämpfe, Schwindel und noch viel mehr. Im Schnitt berichtete jeder Teilnehmer 6 verschiedene Nebenwirkungen, was die Wissenschaftler ebenfalls für nicht erwähnenswert hielten. Im Vergleich: Ketogene Ernährung führt bei Diabetikern zu größeren Gewichtsverlusten und nachhaltigerer Senkung der Glukosespiegel, ganz ohne Hungern, ohne Jojo-Effekt und ohne langfristige Nebenwirkungen. Ob das die Teilnehmer wussten?

Auf solchen Studien basieren unsere Richtlinien für Diabetiker? Dieser grobe Unfug soll eine evidenzbasierte Behandlung von Übergewicht und Diabetes sein, während ketogene Ernährung nur „gefährliche Pseudowissenschaft“ ist?

Die Ethik des veganen Lebens

Als ich heute zur Arbeit ging blinkte mich von der Ampel ein „Stop Meat“ (rot) und „Go vegan!“ (grün) an, was jemand über die Lichter geklebt hatte. Bento kolumnierte neulich „Schluss mit Höflichkeit: Ab sofort werde ich Fleischesser missionieren“, und in meiner Straße steht fast immer ein Auto mit der Aufschrift der Albert-Schweitzer-Stiftung „Wen streicheln, wen essen?“ mit Bildern von ganz liebreizenden Tieren und Werbung für eine „Vegan Taste Week“. Die Botschaft ist immer dieselbe und sehr eingängig: Veganer sind gut und gesund, Fleischesser unterstützen Massentierhaltung, sind böse und ungesund.

Ich kann nur den Kopf schütteln über eine Welt in der alles schwarz oder weiß sein muss. Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich? Das ist eine Logik, in der offen lügende Politiker zu Regierungschefs gewählt werden: Wir müssen nur emotional entscheiden, die Welt ist einfach, ein kurzer Blick genügt und wir wissen ob wir „dafür“ oder „dagegen“ sind. Mit Verlaub: Die Welt ist alles andere als einfach. Es gibt nicht nur radikale Islamisten und Kreuzritter, sondern nahezu alle Menschen befinden sich (glücklicherweise) ziemlich weit weg von diesen Extremen. Und Emotionen in allen Ehren, aber besser ist es sich zuerst nüchtern die Fakten anzusehen. Und die Fakten sind hier: Vegan ist eher ungesund, zumindest in der derzeit von der Ernährungspyramide empfohlenen Zusammensetzung. Und jetzt haben wir das Dilemma. Fleisch ist unethisch, aber was tun?

Ethik vs. Medizin

Mich erschreckt vor allem die Nonchalance mit der mit der ein ethischer Konflikt verwendet wird um alle medizinischen Überlegungen zu umgehen. Massentierhaltung ist schlecht, also ist Veganismus gut? Leider lässt sich ein ethisches Problem eben nicht einfach in ein gesundheitliches Problem transformieren. Das Problem, ob eine vegane Ernährung gesünder oder ungesünder ist als eine fleischhaltige Ernährung, ist fundamental unabhängig von ethischen Überlegungen. Ein sicherlich extremer Standpunkt: Am gesündesten für die Tiere und Pflanzen auf unserem Planeten wäre es zweifelsohne, wenn die Menschheit von heute auf morgen aussterben würde, oder sich meinetwegen auf ein benachbartes Planetensystem beamt. Aus Sicht der Umwelt wäre es also noch besser gar nichts zu essen als sich vegan zu ernähren, korrekt? Wenn man von derart „gründlichen“ Lösungen absieht, muss man zwei grundverschiedene Fragen stellen:

  1. Wie können wir uns so ernähren dass es umweltverträglich ist (Ethik und Ökologie)? Industrielle Landwirtschaft mit Pestiziden, chemischen Düngern und Abroden natürlicher Lebensräume ist auch nicht das Gelbe vom Ei, und man darf schon hinterfragen ob dies wirklich besser ist als der Verzehr von artgerecht gehaltenen Tieren, bei denen eine Kuh auf der Wiese aufwächst, Gras frisst und dann nach Schlachtung einen Menschen wochenlang ernährt.
  2. Welche Nahrungsmittel sind für den Menschen gesund? Hier muss ich die Veganer enttäuschen: Die Wissenschaft unterstützt die These „vegan=gesund“ leider nicht. Es gibt unzweifelhaft viele gesunde vegane Nahrungsmittel, aber das unkritische Ersetzen von Fleisch und tierischen Fetten durch pflanzliche Nahrungsmittel hat uns in die aktuelle Gesundheitsmisere gebracht, in der nahezu alle chronischen Krankheiten exponentiell wachsende Fallzahlen zeigen (wie in meinem Buch ausführlich diskutiert). Hier muss man zumindest etwas Augenmaß dabei beweisen, welche veganen Nahrungsmittel wirklich gesund sind. (Und die als Fleischalternative vermarkteten Veggie-Burger oder -Würste sind oft ein Musterbeispiel für einen ziemlich toxischen Mix aus Emulgatoren, Farb- und Aromastoffen.)

Weg von der industriellen Landwirtschaft

Halten wir zunächst fest: Massentierhaltung ist schlecht. Eine Zivilisation muss sich daran messen lassen wie sie mit den Schwachen umgeht, und eine Welt in der Küken geschreddert werden und jedes Jahr hunderte Hühner für den Hähnchenbrust- und Cordon-Bleu-Bedarf eines einzelnen Menschen sterben müssen wirft ein sehr dunkles Licht auf unsere Gesellschaft. Massentierhaltung ist allerdings nicht nur aus ethischen Überlegungen schlecht, sondern auch aus knallhart gesundheitlichen Gründen: Eine nicht artgerechte Haltung und Fütterung mit Soja und Mais sorgt für eine mindere Qualität des Fleischs. So sinkt z.B. nach Studien der Omega-3-Gehalt von Fleisch massiv wenn die Tiere in Massentierhaltung aufgezogen werden. Und auch die in Soja und Mais enthaltenen Antinährstoffe (Lektine und Isoflavone) finden sich im Fleisch der damit gefütterten Tiere, nicht umsonst schmeckt ein Maishähnchen nach Mais. Von prophylaktisch angewendeten Antibiotika ganz zu schweigen, zusammen mit den Pestiziden und Düngemitteln aus dem Futtergetreide findet sich in Industriefleisch ein Gemisch aus toxischen Chemikalien, die uns schleichend vergiften.

Die traurige Wahrheit ist, dass die Evolution uns fast zu Fleischessern gemacht hat, wir bezogen früher rund zwei Drittel unserer Kalorien aus Fleisch. Wir können über die Konzentration bestimmter Isotope in den Knochen feststellen wie viel Fleisch und Fisch ein Tier konsumierte, und sogar ob andere Fleischfresser regelmäßig auf dem Speiseplan standen. Und der Mensch zu Zeiten der Jäger und Sammler war ganz unzweifelhaft einer der dominanten Fleischfresser, die regelmäßig andere Fleischfresser verspeisten. Paläopathologische Untersuchungen belegen zudem, dass Kulturen die sich überwiegend vegan ernährten (wie z.B. die Egypter zu Zeiten der Pharaonen) immer kurze Lebenserwartungen und extrem hohe Raten an Diabetes und Artherosklerose aufwiesen, wie z.B. Michael Eades ausführt. Und wie das mit der Evolution so ist: Wenn Tiere ihre Nahrungsversorgung grundlegend umstellen, dann führte das früher zu einer erheblichen Ausdünnung der Art. Nur die Tiere die gut an die neuen Nahrungsmittel angepasst waren überlebten, ein Großteil der Art starb, wenn nicht sogar die ganze Art. (Frag die Dinosauriern, die sich auch nicht einfach von anderen Pflanzen ernähren konnten als die Temperatur sank und die bisher als Nahrung dienenden Pflanzen verschwanden.) Beim Menschen ist das heutzutage anders: Die moderne Medizin hält uns am Leben. Wir sterben nicht, sondern werden in immer jüngeren Jahren krank und gleichen die nicht angepasste Nahrung mit einem enormen Aufwand an Chemie aus, so lange bis unser Gesundheitswesen unter der Last der jungen Patienten zusammenbricht. Wer sich die makroskopischen Trends anschaut erkennt ganz klar dass die derzeitige Diabetes- und Autoimmunepidemie vor ca. 50 Jahren begann, als wir tierische Fette, Fleisch und Eier zunehmend durch pflanzliche Fette und Vollkornbrot ersetzten. Nur ein Zufall?

Dazu kommt ein weiteres massives Problem der industriellen Landwirtschaft: Wir benötigen Vitamine und Spurenelemente, die in unserer Nahrung erhalten sind. Eine „natürliche“ Lebensweise führt diese Vitamine und Spurenelemente im Kreislauf bleiben: Die Stoffe werden von den Pflanzenfressern wieder ausgeschieden und dienen als Dünger für Pflanzen. Beí industrieller Landwirtschaft wandern diese Mikronährstoffe über den Menschen in die Kläranlagen und dann in die Flüsse bzw. Weltmeere, aber sie kommen nicht zurück auf die Felder. Das Problem potenziert sich wenn Getreide/Soja als Futter für Masttiere verwendet wird, da so die Böden noch schneller ihre Mikronährstoffe verlieren. Schon heute hat Gemüse und Obst weniger als halb soviele Mikronährstoffe wie noch vor 60 Jahren — verwundert es dass wir mit zunehmendem Alter krank werden, wenn unser Körper die Mikronährstoffe nicht mehr so effizient extrahiert wie bei jungen Menschen? Hier ist tatsächlich eine (artgerechte) Tierhaltung von enormen Vorteil, da die Mikronährstoffe in Fleisch meist besser bioverfügbar sind als in Pflanzen, und wir somit geringere Mengen brauchen um unseren Bedarf zu decken.

Ist vegetarische Ernährung gesund?

Ich bin kein Verfechter einer Carnivor-Diät, und die Tatsache dass wir Allesfresser sind lässt vermuten dass wir uns gesund mit einem vergleichsweise hohen Anteil an veganer oder vegetarischer Nahrung ernähren können. Allerdings muss ich auch darauf hinweisen dass es keine einzige Langfrist-Studie zur Gesundheit veganer oder vegetarischer Ernährungen gibt. Zu Zeiten von Ancel Keys, dem Vater der fettarmen Ernährung, machte man sich schlichtweg keine Gedanken darüber ob eine pflanzliche, kohlenhydratreiche Ernährung ungesund sein könne — man glaubte nur dass Fett ungesund ist, also mussten im Umkehrschluss Kohlenhydrate gesund sein. Dies sollte später durch Studien belegt werden, schlug aber immer und immer wieder grandios fehl, wie z.B. die im letzten Blog erwähnte MRFIT-Studie zeigt: Die Sterblichkeit steigt wenn tierische Fette und Fleisch durch pflanzliche Fette und Kohlenhydrate ersetzt werden. Es bleibt also nur die Frage ob dies allgemeingültig ist, oder durch die spezielle Zusammensetzung der empfohlenen Ernährung zustande kommt. Wird vegan bzw. vegetarisch gesund wenn wir auf Omega-6 und Kohlenhydratexzesse verzichten? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus.

Allerdings fällt es mir schwer zu glauben dass eine rein vegane Ernährung langfristig gesund sein soll. Immerhin benötigen wir eine gewisse Menge an Aminosäuren, die in Pflanzen in der falschen Mischung enthalten sind (die Gesamtmenge an Protein ist problemlos erreichbar, aber einige der vielen notwendigen Aminosäuren sind nur in geringen Mengen enthalten), und wir benötigen fettlösliche Vitamine die kaum in pflanzlicher Nahrung enthalten sind (Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D). Zudem ist vegane Ernährung meist sehr kohlenhydratreich. Dies manifestiert sich nur langsam, bis es zu echten Mangelerscheinungen kommt werden einige Jahre oder Jahrzehnte vergehen. Und ich glaube gerne dass eine vegane Ernährungsumstellung kurzfristig sogar zu einem verbesserten Wohlbefinden führt, und genau das ist das Problem: Wenn sich nach vielen Jahren die Folgen in Form von Autoimmunkrankheiten oder Diabetes zeigen, dann führt man das nicht auf die vegane Ernährung zurück die uns damals so gut tat.

Wie kann man sich dann noch ernähren wenn man kein Ethikschwein sein will? Eine gesunde vegetarische Ernährung ist problemlos machbar. Der Speiseplan enthält dabei genügend tierisches Protein aus Eiern und Milchprodukten aus nachhaltiger Landwirtschaft um den Tagesbedarf an Eiweiß zu decken, sowie eine Kombination von verschiedenen Fetten, in denen Milchfett aus Weidemilch (Butter/Schmalz) und Olivenöl einen Großteil der Kalorien liefern. Bei den pflanzlichen Nahrungsmitteln muss der Fokus auf den Produkten liegen die — individuelle Unverträglichkeiten berücksichtigend — arm an Antinährstoffen wie Lektinen, Oxalaten, FODMAPs und Isoflavonen sind, zudem müssen wir die Menge der Omega-6-Fettsäuren reduzieren. Getreide, Nudeln und Brot sind reich an Lektinen und Omega-6-Fettsäuren und dürfen nicht in großen Mengen konsumiert werden. Und wir dürfen auf die Forschung hoffen: Möglicherweise sind einige Algenarten DAS gesunde und ethisch verträgliche Lebensmittel der Zukunft, immerhin sind Algen evolutionär weder Tier noch Pflanze.

Den militanten Veganern möchte ich die Worte von H.L. Mencken in Erinnerung rufen: „There is always an easy solution to every human problem: Neat, plausible, and wrong.“ („Es gibt immer eine einfache Lösung für jedes Problem der Menschheit: Elegant, plausibel und falsch.“) Das Problem der Massentierhaltung müssen wir lösen, aber sich vegan zu ernähren ist leider die falsche, einfache Antwort.